& danach?
3

& danach?

Diese Frage stelle ich mir eigentlich schon seitdem ich entschlossen habe ans andere Ende der Welt zu reisen – und immer wieder werde ich gefragt, was ich denn vorhabe, wenn „das große Abenteuer“ zu Ende ist.
Ehrlich gesagt zieht sich in mir alles zusammen, wenn ich darüber nachdenke, dass ich mittlerweile die Hälfte der Zeit bereits hinter mir habe und mit großen Schritten auf den 20. Juni zulaufe. „Das ist ja noch eeewig hin.“ – Wirklich?

Einerseits freue ich mich wahnsinnig auf all die feinen Menschen zuhause, freue mich darauf wieder an den Elbbrücken vorbeizufahren, die Kräne schon aus weiter Ferne zu erkennen und Herzmenschen so fest es geht an mich zu drücken. Andererseits würde ich am Liebsten sagen: „Wieso kommt ihr nicht alle einfach hier her? Hier ist es so unglaublich schön.“ Und das ist es wirklich.
Ich erwische mich in letzter Zeit häufiger dabei, vor allem seitdem ich durch den Süden Neuseelands reise, wie mir fast die Luft wegbleibt, beim Blick auf die gewaltige Natur. Immer öfter muss ich mir die Tränen wegwischen, die Wangen mit Luft füllen und mich daran erinnern weiter zu atmen, weil ich nicht fassen kann, dass ich das Glück habe hier zu sein, dass ich wirklich meinen Traum leben darf – und ich nicht ausdrücken kann, wie dankbar ich dafür bin all das hier zu erleben. Manchmal haut mich das hier einfach alles um und ich frage mich, wie ich je ohne all das hier zurecht kommen soll. Ohne die Art zu reisen, wie ich es jetzt gerade tue. Ohne die Freiheit zu all den Orten zu reisen und so lange zu bleiben, wie ich es will. Ohne all die unberührte Natur, die sich einen gerade nur so zu Füßen legt.

Als ich den Entschluss gefasst habe eine „Pause vom Alltag“ zu nehmen und zu verreisen, sind viele Dinge in meinem Leben nicht so gelaufen, wie ich es mir gewünscht hätte. Jeder Schlag ins Gesicht, wie die Uniabsage, und jede Entscheidung die ich treffen musste, hat mich mehr und mehr dazu bewegt zu gehen. Ich denke, dass es auch eine kleine Flucht vor all der Verantwortung und Realität war – aber ich merke, dass es mir wahnsinnig gut tut diesen Schritt gewagt zu habe – sowohl körperlich als auch für meine Seele.

“Traveling is a brutality. It forces you to trust strangers and to lose sight of all that familiar comfort of home and friends.
You are constantly off balance. Nothing is yours except the essential things: air, sleep, dreams, sea, the sky -
all things tending towards the eternal or what we imagine of it.”
( – Cesare Pavese)

Es ist irrwitzig, wie sehr man hier lernt geduldig zu sein – oder wie man auf Komfort und Bequemlichkeit verzichtet, weil man all das hier irgendwie nicht braucht. Zur Zeit schlafe ich bei Minusgraden in meinem Van, friere so lange, bis der Schlafsack genügend Wärme spendet – und ich liebe es, mit all den Vor- und Nachteilen. Und wenn ich selbst Abends keinen geeigneten Platz zum schlafen gefunden habe, dann warte ich einfach ab. Irgendwas findet sich immer, weil es einfach auch immer weiter geht. Und selbst wenn es sich mal so anfühlt, als würde alles nur schief laufen – morgen atmet man einfach weiter und lässt sich ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Warum erscheint all das zuhause nur doppelt so schwer? Warum ist man so schrecklich ungeduldig und beunruhigt, wenn etwas „nicht nach Plan“ läuft? Warum nimmt man jeden kleinsten Stolperstein als meterhohe Mauer wahr?
Ich habe hier Seiten an mir kennengelernt, die ich damals nie für existent gehalten habe. Ich habe mich durch Situationen gebissen, in denen ich wirklich schreckliche Angst hatte – und bin danach um so stolzer weiter gegangen. Und ich weiß, dass es nicht so schlimm ist, wenn man keine Ahnung hat, was morgen ist – oder übermorgen oder den Tag danach.
Aber ich glaube das beschränkt sich zum Teil wirklich nur aufs reisen.
Denn was ist, wenn ich wiederkomme? Was mache ich dann? Beruflich und überhaupt? Eine meiner größten Ängste ist es Entscheidungen zu treffen, die wirklich etwas verändern in meinem Leben – wie die Frage nach dem, was ich mal machen will. Wie soll man sich entscheiden, wenn es doch so viel gibt? Was kann ich mir überhaupt vorstellen, für eine längere Zeit jeden Tag zu machen? Gibt es da überhaupt was?
Lehramtsstudium? Lyrik studieren? Tourismus? Arbeiten in einem (eigenen) kleinen Café mit meterhohen Bücherregalen? Noch mal an der HAW bewerben?

In meinem Kopf rast es, immer mal wieder – und je näher der Tag kommt, an dem ich mich auf den Rückweg mache, desto mehr verkrampft jeder einzelne Muskel. Ich weiß, dass ich eine Entscheidung treffen muss, aber ich denke kaum einer weiß, wie schwer ich mich damit tue. Innerlich sträube ich mich gar davor irgendwo ein „Kreuz“ zu machen und zu sagen: „Ja, das ist es! DAS will ich machen. Auf geht’s!“ Und ich bin mir sicher, dass mir das auch hier nicht gelingen wird hundertprozentig sicher zu sein. Vermutlich muss ich auch zuhause einfach in das kalte Wasser springen, wie ich es hier Tag für Tag tue. Und irgendwie freue ich mich auch darauf, denn was soll schon passieren? Aufstehen kann man immer, egal ob die Nase mal blutet.

quote

Suedinsel Route
hier

3 thoughts on “& danach?

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>