10 Tage
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10 Tage

… bis mich die Realität wieder einholt.
… bis ich meine Füße wieder auf den Hamburger Boden setze – und die hoffentlich warmen Sommerstrahlen auf der Haut spüre.

cape reinga

Langsam aber sicher muss ich lernen Abschied von einem Land zu nehmen, dessen kleinen und großen Orte, dessen laute und leise Menschen mir wahnsinnig ans Herz gewachsen sind.

Ich mag mir gar nicht vorstellen wieder in dem Flieger nach Hause zu sitzen. Nicht, weil ich mich nicht freue all die zurückgelassenen Menschen wieder zu sehen – oder weil ich mich nicht freue den vertrauten Geruch von zuhause einzuatmen, wenn ich meine Haustür öffne. Sondern weil ich schon wieder Abschied nehmen muss. Diesmal nicht auf Zeit, sondern teilweise für immer. Ich weiß, dass ich nicht all die Menschen wiedersehen werde, denen ich in ein paar Tagen „Tschüß“ sagen muss. Auf der ganzen Erde verstreut, viele kleine Anlaufpunkte für zukünftige Reisen. Aber sieht man sich wirklich wieder? Selbst wenn man es sich verspricht und fest vornimmt? Wirklich?

Es gibt viele Menschen, bei denen ich es mir wünschen würde sie wiederzusehen. Menschen, die mir selbst in der kurzer Zeit sehr ans Herz gewachsen sind: Pato, Noelia, Hernan, Ida, Hikaru, Markus, Matt, Matt, Nadav, Jozef, Nic, Anna, Szilvia, Katelynn,… (…) Es wird mir unglaublich schwer fallen euch zurück zu lassen. Jeden Einzelnen.

Das Schlimme am reisen und daran, dass man nie wirklich „ankommt“, ist nämlich die Tatsache, dass man so oft auf Wiedersehen sagt. Ich kann die Häufigkeit, in der das vorgefallen ist, im Grunde gar nicht mehr zählen. Zwanzig Mal? Dreißig Mal? Ich glaube selbst das ist zu wenig. Und manchmal ist es schwieriger, manchmal fällt es leichter einen Ort und deren Menschen zu verlassen. Das gehört zum Leben eines „Backpackers“ quasi zum täglich Brot wie atmen und schlafen.

In dem Fall, der in ein paar Tagen eintritt, wird es für mich am Schwersten sein. Ich verlasse nicht nur meine Hassliebe Auckland, die Stadt in der ich mich seit nun mehreren Tagen befinde, sondern verlasse Neuseeland auf unbestimmte Zeit – der Ort an dem ich so vieles über mich selbst gelernt habe. Der Ort, an dem ich gewachsen bin – vielleicht sogar ein wenig „älter“ geworden bin.

Wenn mich jemand fragt, was ich hier drüben so gelernt habe, dann würde ich als Erstes antworten: mutig sein.
Ich hätte niemals gedacht, dass ich alles so auf die Reihe kriegen würde, wie ich es getan habe. Natürlich ist Neuseeland nicht die Wüste – und hier ist es leichter zu leben als an anderen Orten, aber für mich persönlich war es ein großer Schritt alleine in ein Flugzeug zu steigen und mein kleines Abenteuer zu bestreiten.

Als ich hier angekommen bin, war vieles verwirrend in meinem Kopf. Mein Koffer war über und über bepackt mit nicht sortierten Ereignissen der Vergangenheit und ich wusste auch nicht so richtig was mich erwarten würde, im Land „der langen weißen Wolke“. Selbst Wochen später hatte ich noch nicht so realisiert, dass ich wirklich hier bin.
Irgendwo, auf einer Straße zwischen Dunedin und Queenstown, überollte mich das Gefühl von „Ja, Jessy – du bist hier. Genau jetzt.“ und ich habe mich daran noch nicht sattgesehen. Ich habe mich an diese Landschaft hier noch nicht gewöhnt. Ich habe das Gefühl noch „nicht fertig“ zu sein. Aber ist man jemals bereit zu gehen – ist man jemals „fertig“ mit irgendwas?

Vielleicht muss ich gehen, um richtig zu verarbeiten, was alles passiert ist. Manchmal rast hier ein Foto nach dem anderen im Sekundentakt an meinen Augen vorbei, manchmal ist es ein Standbild das mehrere Minuten andauert – bevor sich das nächste in den Vordergrund schiebt. Ich habe das Gefühl, dass ich teilweise nur schemenhaft die Realität hier drüben wahrnehme und alles eher wie in einem Traum ist, aus dem ich dann in zehn Tagen aufwachen muss. Kann mir jemand bitte bestätigen, dass ich wirklich hier bin und war?

Bis dahin werde ich versuchen alles aufzusaugen und in meinen Koffer zu verstauen. Am liebsten würde ich es in jeder Pore speichern und nie wieder gehen lassen, auch wenn Erinnerungen immer schwächer werden mit der Zeit. Und bevor ich noch ganz nostalgisch werde, höre ich lieber auf zu philosophieren und mich in Metaphern zu wälzen.

Ich freue mich auf all das, was mich zuhause erwarten wird, denn ich bin mir sicher, dass sich vieles in meinem Leben verändern wird. Schon jetzt haben sich viele meiner Ansichten geändert. Viele Dinge, die ich früher engstirnig gesehen habe – und mich manchmal zur Weißglut brachten, finde ich mittlerweile nicht mehr so schlimm.
Denn eins habe ich hier gelernt: man kann Situationen und Zustände noch so gut durchplanen – immer und immer wieder – man kann sich Listen erstellen, all die “Was wäre wenn,…”-Fälle durchkauen, aber am Ende passieren die Dinge so wie sie sein sollen und nicht so wie man sich das vielleicht gerne im Vorwege gewünscht hat. Das ist vermutlich eine Sache, die sich im Leben nie ändern wird.

Ich freue mich darauf noch mehr zu reisen, ich freue mich an anderen Orten der Welt zu atmen.
Ich freue mich darauf mit einem Lächeln im Gesicht auf den Beginn meiner zukünftigen Abenteuer zurück zu blicken.
Ich freue mich all das hier erlebt zu haben und zu erleben.
Ich bin glücklich.

happeninlife

 

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